2. Trinken und Singen

[111] Viel Essen macht viel breiter

Und hilft zum Himmel nicht,

Es kracht die Himmelsleiter,[111]


Kommt so ein schwerer Wicht.

Das Trinken ist gescheiter,

Das schmeckt schon nach Idee,

Da braucht man keine Leiter,

Das geht gleich in die Höh.


Chor


Da braucht man keine Leiter,

Das geht gleich in die Höh.


Viel Reden ist manierlich:

»Wohlauf?« – Ein wenig flau. –

»Das Wetter ist spazierlich.«

Was macht die liebe Frau? –

»Ich danke« – und so weiter,

Und breiter als ein See

Das Singen ist gescheiter,

Das geht gleich in die Höh.


Chor


Das Singen ist gescheiter,

Das geht gleich in die Höh.


Die Fisch und Musikanten

Die trinken beide frisch,

Die Wein, die andern Wasser –

Drum hat der dumme Fisch

Statt Flügel Flederwische

Und liegt elend im See –

Doch wir sind keine Fische,

Das geht gleich in die Höh.


Chor


Doch wir sind keine Fische,

Das geht gleich in die Höh.


Ja, Trinken frisch und Singen

Das bricht durch alles Weh,[112]

Das sind zwei gute Schwingen,

Gemeine Welt, ade!

Du Erd mit deinem Plunder,

Ihr Fische samt der See,

's geht alles, alles unter,

Wir aber in die Höh!


Chor


's geht alles, alles unter,

Wir aber in die Höh!


Quelle:
Joseph von Eichendorff: Werke., Bd. 1, München 1970 ff., S. 111-113.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1841)
Gedichte
Fünfzig Gedichte
Und es schweifen leise Schauer: Gedichte (Lyrik)
Sämtliche Gedichte und Versepen
Gedichte (Fiction, Poetry & Drama)

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon