Abend- oder Nachtgesang

[4] Nach der Stimme: Wie schön leuchtet der Morgenstern, usw.


1.

Nun ist bestellt der Sternen Wacht,

Der schnelle Tag ist hingebracht,

Wir gehen jetzt zu Bette:

Die Arbeit heischet Ruh und Rast,

Wir werffen ab die Sorgenlast

Und schlaffen in die Wette,

Daß sich

Ruhig

Unsre Glieder

Frischen wieder

Und verstärken,

Welche Morgens munter werken.


2.

Die Finsterniß schwebt hie und dort,

Die Welt ist ein gantz blinder Ort

Ohn Gottes Gnadenwonne:

Sie bildet uns den falschen Wahn,

Der nicht erleuchtet werden kan

Als durch deß Glaubens Sonne,

Die schafft

Viel Krafft

Und uns übet,

Bringt und giebet

Durch viel Schmertzen

Gottes Geist in unsre Hertzen.


3.

Wir wissen, daß deß Tagesliecht

Zu Morgens wiederum anbricht,

So jetzt das Meer bedecket:

Wer wolte dann vertrauen nicht,

Daß uns das grosse Heydenliecht

Von Todten auferwecket?

Gemein

Muß seyn

Täglich schaffen,

Nächtlich schlaffen,

Zu bedenken,

Wie uns Schlaff und Tod beschrenken.[4]


4.

Erhalt, O Hüter Israel,

Jetzt und auch künfftig meine Seel'

In deinen Schutz ergeben;

Schaff, daß ich ruhe diese Nacht,

Beschirmet von der Engelwacht,

Die ob den deinen schweben.

Auf dich

Trau ich:

Laß mein Sinnen

Und Beginnen

Deinen Willen

Jetzt und allezeit erfüllen.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 5, Hildesheim 1964, S. 4-5.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Nachkommenschaften

Nachkommenschaften

Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon