An St. Maria Magdalena

[249] (Am Morgen der ersten Beichte.)


Erfleh' mir Lieb' und Thränen,

Du strenge Büßerin,

Daß ich mit reinem Sehnen

Nach Jesu strebe hin!

Daß ich zu Seinen Füßen

Verzeihung mög' erflehn,

In Thränen ganz zerfließen,

In Reue ganz vergehn.


Ich hab' Ihn viel gekränket

Und hab' es wohl gewußt;

Mein Herz hab' ich ertränket

In Erden-Schmerz und -Lust.
[250]

Ich hab' Ihn oft vergessen,

Den ich doch früh erkannt,

Und habe ganz vermessen

Mich von Ihm abgewandt.


O, gieb mir Deine Reue

Und Deine Thränenfluth,

O, gieb mir Deine Treue

Und Deiner Liebe Gluth,

Bis Er mir neues Leben

Mit diesen Worten giebt:

»Geh' hin, dir ist vergeben,

Weil du so viel geliebt.«


Berlin, den 7. Decbr. 1818.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 249-251.
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