Laßt mich allein

[172] O, laßt in stiller Klause

Mein Auge einsam weinen;

Ich will nicht im Gebrause

Der Welt fortan erscheinen.


Mein Herz, ihr Lieben, sehnet

Sich nicht nach ihren Freuden;

Mein düstres Auge thränet

Auch nicht ob ihrer Leiden.


Sie bot mir ihre Freuden –

Ich habe sie verlassen.

Wohl kenn' ich ihre Leiden

Und muß sie ewig hassen.
[173]

Laß nun in stiller Zelle

Mein Herz zu Dem sich heben,

Der einzig ist die Quelle

Von Liebe, Licht und Leben. –


Er läßt im stillen Grabe

Wohl bald mich Ruhe finden.

Was ich gelitten habe,

Kann Er allein ergründen. –


Herr! laß in ew'gem Frieden

Mich dann in Dir erfreuen.

Was ich gefehlt hienieden,

Herr! Du wirst es verzeihen.


Frühjahr 1820.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 172-174.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Lieder (Ausgabe von 1879)
Lieder: Ausgabe von 1879
Lieder aus dem Nachlaß