1. Die Coeursieben

Nicht schlaue Füchse, wilde Stiere,

Nicht Menschen allzugleiche Thiere,

Nicht Mährchen, wie Aesop erfand,

Sind meines Dichtens Gegenstand;

Die Karten will ich jetzt beleben,

Und ihnen Witz und Denken geben.

Ihr Spötter, eh' ihr den verlacht,

Der todte Karten redend macht,

So lernt, wie das, was ich erfinde,

Sich auf Natur und Wahrheit gründe.

Was macht, daß Chloris sinnt und schließt,

Und daß Silvander artig ist?

Die Karten müssen sie beleben,

Und ihnen Witz und Denken geben:

Wenn sie nun Andern das verleihn,

So kann es wohl ihr eigen seyn.


In jenen streitbaren Papieren,

Damit die Schönen Kriege führen,

Und Stutzer selbst zu Felde ziehn,

Weicht Alles vor dem schwarzen Sieger;

Stets würgt er zween berühmte Krieger,

Gemeines Volk läßt er entfliehn.


An Farbe gleicher, als an Stärke,

Doch stark zu manchem großen Werke,[31]

Ist ihm der zweyte Kämpfer nah,

Auf dessen Schild, nie ohne Zittern,

Der kühnste von den bunten Rittern

Das schwarze Kreuze blicken sah.


Den dritten Platz hat er im Heere.

Der zweyten Stelle Macht und Ehre

Bleibt nicht stets Einem ganz allein;

Weil zweymal zween gemeine Knechte

Auf diesen Rang mit gleichem Rechte

Sich einer um den andern freun.


Einst ward ein Blatt dazu erhoben,

Das uns als seiner Kühnheit Proben

Sechs Herzen und noch eines zeigt,

Und bey der andern Blätter Neide,

Berauscht von stolzerfüllter Freude,

Nun seinen König übersteigt.


Die Basta selber muß mich ehren!

So ließ es sich voll Hochmuth hören,

Ein einzig Blatt ist über mir.

Die Basta, durch den Stolz verletzet,

Sprach: wenn dein Rang dich so ergetzet,

So glaube doch, ich gönn' ihn dir.


Beständig kann mein Beystand nützen;

Stets wünschet man mich zu besitzen:

Dich macht nur blinder Zufall werth.

So eile, recht dein Glück zu fühlen,

Eh' durch dich in den nächsten Spielen

Verworfner Blätter Zahl sich mehrt.


Der Leser mag es selbst ergründen,

Worauf der Fabel Inhalt zielt.

Er braucht vielleicht, es auszufinden,

Nicht halb den Witz, damit er L'hombre spielt.
[32]

Quelle:
Abraham Gotthelf Kästner: Gesammelte poetische und prosaische schönwissenschaftliche Werke, Theil 1 und 2, Teil 2, Berlin 1841, S. 29-33.
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