An Herrn Geheimen Rath Buchholz

an seinem Geburthstage

[132] (Den 30ten des Heumonats 1761.)


O Freund! dem Kinde des Fürsten,

In Gold und Purpur gehüllt,

Ist nicht der Donner vernehmlich,

Der von den Wällen herab


Mit frölich brüllender Stimme

Sagt, daß dem Volke sein Heyl

Gebohren worden. Tief schlummert

Der kleine sterbliche Gott;


Sieht nicht an stolzen Pallästen

Die flammigten Freuden, die hoch

In Myriaden von Lampen,

Ihm brennen und seiner Geburt!
[133]

Er liegt – ein künftiger Herrscher;

Kennt nicht die glänzende Last,

Und das Gefolge der Sorgen,

An Cron und Scepter geknüpft!


Von ihm erwarten die Länder

Glückseligkeiten und Schutz.

Sein warten Arbeit und Unlust

Und der unseelige Krieg!


Er wächst dem Ruder entgegen

Tritt an die Spitze des Staats.

Von ihm entfliehen die Freuden

Ihm fehlt die nächtliche Ruh!


Auf seine wandelnde Tritte

Sehn tausend, spähen ihn aus.

Ihn loben einzelne Weisen,

Und eine thörigte Welt
[134]

Weiß Fehler, tadelt den Herrscher

Der auf erhabenem Sitz

Noch nicht ein Engel geworden!

Ach! immer bleibt er ein Mensch!


Wir alle kommen zur Mühe,

Ins flüchtge Leben herab.

Weit von dem Sitze der Fürsten

Bringt neue Plagen der Tag.


Du auch vom Weibe gebohren,

Die nicht unedel, und nie

Stolz, hochgebiethend gewesen,

Du kamst zu Sorgen und Last!


Zwar herrschte goldener Friede

Als du die Sonne gegrüßt!

Der Landmann säete mit Hoffnung,

Und mähete Weitzen für sich.
[135]

Der Hof verblendete Fremde,

Und in dem Schoosse der Ruh

Versteckten Juwelen den König

Und seinen müßigen Rath!


Du kamst dem grösseren Enkel

Zum Dienst – ein werdender Mensch,

Bestimmt zu wichtigern Lasten

Als nie dein Vater sie trug!


Fünfmahl schon haben am Stocke

Dem Wintzer Trauben gereift,

Seitdem des Vaterlands Thräne

Die Rückkunft Friedrichs begehrt.


Ihn ruft der sprechende Canzler,

Und der einstimmige Mund

Der Senatoren. Ihn fodert

Dein Herz stillseufzend zurück.
[136]

Er kömmt, wenn unter der Decke

Von weissem flockigtem Schnee,

Sich eine künftige Erndte

In jungen Saaten verbirgt.


Vermehrt sind seine Provinzen;

Das ferne Indien wünscht

Ihm Glück, und theure Geschenke

Bringt der sich bückende Mohr!


Ja, Freund! dann sitzest du näher

An dem erhabnerem Thron,

Greifst hoch ans Ruder. O! zähle

Der häuslichen Freuden dann mehr.


Mit frommem Stolze des Ahnherrn

Frohlächelnd, siehe umher

Auf Kinder deiner Erzeugten;

Und alle ahmen dir nach!

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Auserlesene Gedichte, Berlin 1764, S. 132-137.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Nachdem Musarion sich mit ihrem Freund Phanias gestrittet hat, flüchtet sich dieser in sinnenfeindliche Meditation und hängt zwei radikalen philosophischen Lehrern an. Musarion provoziert eine Diskussion zwischen den Philosophen, die in einer Prügelei mündet und Phanias erkennen lässt, dass die beiden »nicht ganz so weise als ihr System sind.«

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon