Trinklied

[147] Die grünen Römer blinken,

Wir trinken draus mit Lust:

Das ist ein fröhlich Leben,

Das hebt die junge Brust!


Die Sonne spielet lieblich

Durch all den klaren Wein,

Sie spiegelt hin und wider

In unsern Äugelein!


Was liegt denn an der Schwelle

Dort für ein bleiches Weib?

Geschlagen und gebunden

Den wunderschönen Leib?
[147]

Wie kommt so kranke Dirne

Denn unserm Jubel nah? –

Oh, schleudert weg die Becher!

Das ist Germania!


Wir nehmen still die Hüte

Und schleichen aus dem Schank,

Wie einer, der ein Räuschchen

Sich am Karfreitag trank.

Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 147-148.
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