[Richtung zur Zukunft]

[1146] Der Gedanke spielte mit seinen Möglichkeiten, leise verzichtend. Auf gestern, auf ehegestern fällt der Verdacht unserer Zukunft, der zögernden; schrecken wir sie nicht oft durch den abmunternden Aufblick? Die kommende möchte sie sein, unabsehlich, – ach und wir sollten ihr Weg sein, ihr Abstieg, in den sie alles beschleunigt. Wer aber ist bereit? Wer vertraut, sieht auch in der Drohung noch das Versprechen des Künftigen, das aus der klaffenden Maske dringt mit verstellbarer Stimme. Komm, o Schicksal, scheinbares, komm, du kannst nicht ohne die ganze unendliche Zukunft. Das Zerstörende selbst reißt die Überstehungen hinter sich herein, kein Tod kann kommen ohne das viele Lebendige in seinem Rücken. Offenheit eines Morgens sei in der Luft deines Herzens, nichts Erwehrendes, wollend jedes. Dein Wollen umarme halbenwegs das entschlossene Ereignis, trete mit ihm bei dir ein, schon befreundschaftet eines am anderen, einander schon wohlklingend, schon unzertrennlich. Daß dir des Fremden nichts zukomme, immer schon Deiniges tiefvertraulich dich anträte: Verwandtes, ein verstoßener Sohn: so komme dein Tod dir in die endlichen Arme.

Denn ein Heiliger sollst du sein und nur Umgang kennen, nicht Zufall. Nicht anschreien soll dich eins können, als wärs der bestellte Wächter, du aber eingedrungen ins dir nicht Gehörige. Wo ist dein Eigenes nicht wenn du's erwirbst eh es ist, wenn du das Nähernde[1146] liebst im Schooße der Zukunft, wie sollte es dir nicht zur Welt kommen als dein wirkliches Kind? Herz, daß du doch nicht deine Grenzen zögest gegen gut und böse, und gegen das Unkenntliche. Wie du dich einschränkst.[1147]

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 6, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 1146-1148.
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