Die traurikeit

[153] In des Jörg Schillers süßem ton.


9. juli 1544.


1.

Nachdem die künigin

Arsinoe vorhin

vil unglücks het erliden,

das sie nach wer verschiden

vor leit und traurikeit;

In solcher kümmernus

kam ein philosophus,

die küngin an den orten

zu stillen mit den worten

und sprach: »als auf ein zeit

Her Jupiter, der gotte,

den geistren zam gebote

und teilet in durch ab

eim ieglichen sein gab;

doch war nit da das trauren,

sunder in der stat mauren

es vil zu schaffen het,

die gab versaumen tet.


2.

Und Jupiter der sprach:

wie kumst so lang hernach?

weil ich den geistren eben

hab alle gab ausgeben,

nichts mer zu geben hab.

Ich hab kein gab sunst mere,

allein der toten ere,

das ist seufzen und weinen,

die wil ich dir vereinen,[154]

das du auch habst ein gab.«

Weiter saget der weise:

»o weib, wirstu mit fleise

eren dein traurikeit

mit weinen lange zeit,

so wirts lang bei dir wonen;

wirst aber ir nit schonen,

sunder verachten sie,

so bleibt sie niemer hie.«


3.

Aus dem verstet man wol,

das niemant trauren sol

zu vil, über die maßen

sich überwelting laßen,

das man darin ersauf.

Der traurig geist allein

verdorrts mark und gebein,

des menschen leben kürzet

und in die schwintsucht stürzet

nach der nature lauf.

Derhalb tu manlich tragen

das trauren und ausschlagen,

e es einwurz ins herz

mit weinen, seufz und schmerz,

weil es kein nutz tut geben,

allein krenkt es das leben

mit seinem überfluß –

beschreibet Plutarchus.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 153-155.
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