Die unglückhaft künigin Althea

[172] In dem würgendrüßel Frauenlobs.


1. mai 1545.


1.

Althea, der küngine,

das glück frölich erschine;

het zwen sün, Toxeum und Plexippum,

ganz künikleich und adelicher sine;

die erzog sie hoflicher art

zu allem ritterspil.

Nach dem sie schwanger ware,

den dritten sun gebare,

den nanten sie mit nam Meleagrum.

erfreut wart Oneus der künig klare,

der künklich hof vol freuden wart

in aller kurzweil vil;

Althea höret bei dem hert

im kamin auf dem sal

ratschlagen die drei göttin wert,

welche haben die wal,

wie lang ein mensch hie leb auf ert;

die sprachen all zumal:

»wan der brant im kamin verbrint,

wirt im augenblick hie

sterben das neugeboren kint.«

darnach verschwunden sie.


2.

Althea zuckt den brande

aus dem feuer zu hande

und lescht in ab, behielt in auf mit fleiß;

also der göttin ratschlag überwande,

erret ir neugeboren kint[173]

von unzeitigem tot.

Als der kam zu sein tagen,

hat er groß feintschaft tragen

sein zweien brüdern und tückischer weis

hat er beid brüder auf ein tag erschlagen.

als beid sie tot gelegen sint

in irem blute rot,

Balt Althea die tat erfur,

beid tote süne sach,

in zoren sie beweget wur

und zu grimiger rach

Meleagro den tot auch schwur

und ir kestlein aufbrach

und iren brant herfürher sucht,

den in das feuer warf,

Meleagrum heftig verflucht

mit herben worten scharf.


3.

So balt in feuers flamen

der brant verbrune mit namen,

fiel Meleager zu der erd und starb.

also ir küniklich sün allesamen

lagen erbermlicher gestalt

tot vor ir auf dem sal.

Erst wurt ir herz getroffen,

in trauren gar ersoffen,

kein trostlich wort bei ir mer stat erwarb,

wan sie war keines sunes mer verhoffen

zu geberen, wan sie was alt,

aus war all freut zumal.

In solchem herzleit sie durchbrach

verzweifelt und ellent,

das betrübt weib sich selb erstach

und nam ein kleglich ent –

beschreibt Boccatius – hernach

wirt aus der gschicht erkent:[174]

was einem menschen ist beschert

durch gots heimlich gericht,

wie hart der mensch sich darvor wert,

es entlich doch geschicht.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 172-175.
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