Der Bauer in der Ernte

[452] Ihr Buben, frisch ins Feld hinaus,

Es winken uns die Aehren.

Wir wollen auf dem Acker draus

Den lieben Hergott ehren.

Hört, wie der Schwalbe Lied so fein

Auf unsrer Rinne klingt,

Und wie dies kleine Vögelein

So wunderlieblich singt.


Da schaut einmal die Halmen an,

Von tausend Aehren trächtig,

Und so viel tausend Körnlein dran;

Wie ist doch Gott so mächtig![452]

So gülden, wie mein Korn, ist nicht

Des kleinen Jörgleins Haar.

Jetzt glaub' ich, was der Pfarrer spricht,

Ich seh's ja, es ist wahr.


Ach seht nur doch, an jenem See –

Da plappern sie, die Störche! –

Und über mir in blauer Höh'

Da singt die kleine Lerche.

Sie schüttelt von den Flügelein

Den Thau auf meinen Hut

Und singt mir in das Herz hinein

Bei meiner Arbeit Muth.


Wie ist der Morgenwind so kühl!

Er schüttelt von den Aehren

Die bösen Würmer, die oft viel

Von unsrem Brod verzehren.

Die Wachtel sitzt in meinem Korn;

Mein Pommer stiert sie auf;

Er springt ihr nach und schnappt im Zorn

Umsonst nach ihr hinauf.


Die Wölklein ziehen über mir,

Wie Lämmlein, still vorüber;

Du guter Gott! wie dank' ich dir,

Mir gehn die Augen über.

Er, der mein Haus mit Trank und Brod,

Der mir mein Vieh erhält; –

So gut, wie unser lieber Gott,

Ist halt nichts auf der Welt.[453]


In einem Orte, weit von hier,

Wie wird's da werden theuer!

Der Hagel fiel, man sagt' es mir,

So groß, wie Hühnereier.

Die guten Leutlein dauern mich

In ihrer großen Noth;

Gott weiß, mit ihnen theilte ich

Den letzten Bissen Brod.


Hellt stell' ich einen Feirtag an,

Den lieben Gott zu preisen;

Dort kommt ja mein Gevattermann,

Der singt nach allen Weisen.

Gelt, Weibchen, gelt, du singst mit mir?

Ihr Buben, lobet Gott!

Nun, G'vattermann, so singt uns für:

Nun danket alle Gott!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 452-454.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
S Mmtliche Gedichte, Volume 1
S Mmtliche Gedichte, Volume 3
Gedichte. Aus der

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der Weg ins Freie. Roman

Der Weg ins Freie. Roman

Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.

286 Seiten, 12.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon