1.

[110] Der edle Herzog groß

Von dem Burgunder Lande

Litt manchen Feindesstoß

Wohl auf dem ebnen Sande.


Er sprach: mich schlägt der Feind,

Mein Muth ist mir entwichen,

Die Freunde sind erblichen,

Die Knecht' geflohen seynd!


Ich kann mich nicht mehr regen,

Nicht Waffen führen kann:

Wo bleibt der edle Degen,

Eckart der treue Mann?
[110]

Er war mir sonst zur Seite

In jedem harten Strauß,

Doch leider blieb er heute

Daheim bei sich zu Haus.


Es mehren sich die Haufen,

Ich muß gefangen sein,

Mag nicht wie Knecht entlaufen,

Drum will sterben fein! –


So klagt der von Burgund,

Will sein Schwerdt in sich stechen:

Da kommt zur selben Stund

Eckart, den Feind zu brechen.


Geharnischt reit't der Degen

Keck in den Feind hinein,

Ihm folgt die Schaar verwegen

Und auch der Sohne sein.
[111]

Burgund erkennt die Zeichen,

Und ruft: Gott sei gelobt!

Die Feinde mußten weichen

Die wüthend erst getobt.


Da schlug mit treuem Muthe

Eckart ins Volk hinein,

Doch schwamm im rothen Blute

Sein zartes Söhnelein.


Als nun der Feind bezwungen,

Da sprach der Herzog laut:

Es ist dir wohl gelungen,

Doch so, daß es mir graut;


Du hast viel Mann geworben,

Zu retten Reich und Leben

Dein Söhnlein liegt erstorben,

Kanns's dir nicht wieder geben. –
[112]

Der Eckart weinet fast,

Bückt sich der starke Held,

Und nimmt die theure Last,

Den Sohn in Armen hält.


Wie starbst du, Heinz, so frühe,

Und warst noch kaum ein Mann?

Mich reut nicht meine Mühe,

Ich seh' dich gerne an,


Weil wir dich, Fürst, erlösten,

Aus deiner Feinde Hohn,

Und drum will ich mich trösten,

Ich schenke dir den Sohn.


Da ward dem Burgund trübe

Vor seiner Augen Licht,

Weil diese große Liebe

Sein edles Herze bricht.
[113]

Er weint die hellen Zähren

Und fällt ihm an die Brust:

Dich, Held, muß ich verehren,

Spricht er in Leid und Lust,


So treu bist du geblieben

Da alles von mir wich,

So will ich nun auch lieben

Wie meinen Bruder dich,


Und sollst in ganz Burgunde

So gelten wie der Herr,

Wenn ich mehr lohnen kunnte,

Ich gäbe gern noch mehr.


Als dies das Land erfahren,

So freut sich jedermann,

Man nennt den Held seit Jahren

Eckart den treuen Mann.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 2, Heidelberg 1967, S. 110-114.
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